Niederländische Party: Warum »Musik ohne Anspruch« gerade zum EM-Hit wird (2024)

EM-Hit »Links, Rechts«»Menschen aus den Niederlanden schämen sich nicht, zu feiern«

Wirklich kreativ ist er nicht, dafür eingängig: In Hamburg lieferten niederländische Fans zum Song »Links, Rechts« die Party des Jahres. Nun tritt Sänger Rob Kemps in Leipzig auf. Ein Gespräch über fehlenden Tiefgang.

Ein Interview vonHenrik Bahlmann

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Niederländische Party: Warum »Musik ohne Anspruch« gerade zum EM-Hit wird (1)

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»Nach links. Nach rechts. Döpdödödöp!«

Wer noch nicht mit niederländischem Partyschlager vertraut war, bekommt dank der Fußball-EM seit Tagen einen Eindruck davon. Tausende orange gekleidete Menschen versammelten sich vergangenen Sonntag in Hamburg zum Fanmarsch, es gab Fahnen, Bengalos und dröhnende Bässe aus einem Partybus. Vor allem ein Video ging daraufhin viral: Eine synchron hüpfende Menge, die den Aufforderungen aus einem Song der niederländischen Band Snollebollekes folgt.

Die Niederländer feierten eine der größten Partys, die Hamburg seit Jahren gesehen hat (und die viele Hamburgerinnen und Hamburger anders als den Schlagermove akzeptieren dürften). Nach Jahren des Katers holen sich die Fußballfans ihren Sport zurück – zumindest ist das die Lesart vieler Nutzerinnen und Nutzer in den Kommentarspalten unter den Videos: Nach dem Turnier in Russland, der Corona-EM, die überall stattfand, ohne dass irgendwo wirklich Stimmung aufkam, und der Wüsten-WM in Katar.

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Mitverantwortlich für dieses Gefühl ist Snollebollekes-Frontmann Rob Kemps. Der 38-Jährige ist Entertainer und seit Jahren mit seiner Partyschlagerband unterwegs. In den Niederlanden füllt er ganze Stadien oder tritt beim Königstag auf – und am Freitag auch beim Fanfest in Leipzig. Um 21 Uhr spielt das niederländische Team in der Stadt sein zweites EM-Spiel gegen Frankreich (Liveticker bei SPIEGEL.de). Der SPIEGEL erreicht Kemps dort am Donnerstagabend, er hat sich in sein Auto vor dem Hotel zurückgezogen. Um in Ruhe sprechen zu können, sagt er.

SPIEGEL: Herr Kemps, Sie sind wohl verantwortlich für den Fansong der Fußball-EM. Menschen aller Nationen feiern ihr »Links, Rechts«. Wie fühlt sich das an?

Kemps: Ich fühle mich geehrt. Musik verbindet Menschen, egal woher sie kommen. Dafür braucht es gar keine tiefgehenden Töne wie bei tragischen Klassikstücken oder französischen Chansons. Es ist ganz einfache Partymusik, die Menschen glücklich machen kann.

SPIEGEL: Ihr Song baut sich um zweieinhalb Wörter auf: Links, rechts und ein Döp in Abwandlungen. Warum funktioniert diese Art der Musik so gut?

Kemps: Es ist Musik ohne Anspruch. Eigentlich transportieren erfolgreiche Songs eine Message, ob es um Krieg oder Frieden geht. Für uns steht aber im Vordergrund, dass es tanzbar ist.

SPIEGEL: Musik ohne Tiefgang also.

Kemps: Es geht um den Ausdruck von Freude. Ich lebe in den Niederlanden; wenn ich dort eine türkische Hochzeit sehe, will ich mit den Leuten auf der Straße tanzen. Ich verstehe kein Wort von dem, was sie singen. Aber diese Art der fröhlichen Musik bringt Menschen zusammen.

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SPIEGEL: Auch Ihre Musik bringt Menschen zusammen. Videos, wie niederländische Fans Ihren Song in Hamburg singen – respektive tanzen –, wurden millionenfach geklickt.

Kemps: Der Song ist sehr einfach zu verstehen, sehr eingängig. Jeder versteht, dass er oder sie von links nach rechts springen soll – ob du aus Deutschland kommst, aus England oder von mir aus auch aus China.

SPIEGEL: Ihr Song ist aber nicht neu, veröffentlicht wurde er 2017. Niederländische Fans bei der Tour de France oder bei Formel-1-Rennen feiern ihn seit Jahren. Wurden Sie dennoch vom aktuellen Hype in den sozialen Netzwerken überrascht?

Kemps: Um ehrlich zu sein, habe ich erwartet, dass ein paar niederländische Fans den Song aufführen würden. Egal, in welcher Bar auf der Welt Niederländerinnen und Niederländer feiern, feiern sie mit »Links, Rechts«. Die Videos aus Hamburg wurden aber so häufig angeschaut und geteilt, das ist verrückt. Es leben rund 17 Millionen Menschen in den Niederlanden, mir war klar, dass nicht alle aus der Heimat kommen können.

Niederländische Party: Warum »Musik ohne Anspruch« gerade zum EM-Hit wird (4)

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Hamburg goes Oranje

Foto: Axel Schmidt/ REUTERS

SPIEGEL: In den Kommentarspalten der Videos werden die Niederlande als Partyvolk gefeiert. Ist da etwas dran?

Kemps: Menschen aus den Niederlanden sind einfach frei. Sie schämen sich nicht, zu feiern. Deutschland etwa hat auch eine gute Partygesellschaft, wenn ich nur an das Oktoberfest und die Après-Ski-Partys denke. Aber die Niederländer sind einfach Niederländer. Sie sind einfach glücklich.

SPIEGEL: Sehen wir Sie bald auf Mallorca?

Kemps: Tatsächlich bin ich dort schon einmal aufgetreten. Es gibt erste Anfragen, den Song auf Deutsch zu übersetzen.

SPIEGEL: Am Freitagnachmittag treten Sie erst einmal mit dem Original auf der Fanzone in Leipzig auf. Das ist jetzt aber keine spontane Reaktion auf den Hype?

Kemps: Der Auftritt ist tatsächlich seit Monaten geplant. Ich war gestern schon in der Stadt unterwegs, es ist viel los, auch mit den französischen Fans. Ich hoffe auf eine große Party. Und wer weiß, vielleicht gibt es weitere Auftritte, wenn die Niederlande weiterkommen.

SPIEGEL: Vielleicht sogar auf einer Titelfeier. Glauben Sie, das niederländische Team gewinnt die EM?

Kemps: Ich muss jetzt Ja sagen, glaube ich.

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